Heimatbl. f.d. südwestl. Harzrand, H. 58: S. 24-31, 8 Abb.; Osterode 2002.

Dr. Ralf Nielbock

Die Armin-Werner-Ausstellung

- ein Beitrag zum Projekt PlanetErde 2002

Unter dem Titel „Die Armin-Werner-Sammlung - Skurriles und Systematisches aus dem Fels geschlagen" konnte im März und April 2002 im Heimatmuseum Osterode eine Sonderausstellung gezeigt werden. Diese Ausstellung über das Mineralienkabinett von Armin Werner mit skurrilen Mineralgroßstufen und einer systematischen Gesteinssammlung war eingebunden das Jahr der Geowissenschaften 2002 - Projekt PlanetErde unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Bei der Armin-Werner-Sammlung handelt es sich um eine in ihrer Systematik und von der Qualität der Fundstücke beeindruckende Mineralien- und Fossiliensammlung mit über 3000 Objekten, zusammengetragen zwischen 1910 und 1954. Sie wurde mit den zugehörigen Möbeln 1956 der Stadt Osterode aus dem Nachlaß des Regierungsbaumeisters Armin Werner (1877 - 1955) übereignet. Die Armin-Werner-Sammlung gehört somit zum eigenen Magazinbestand des Museums Osterode. Das Naturalienzimmer mit der Sammlung wurde 1956 zunächst kurzfristig im 2. Stockwerk des Museums aufgestellt. Durch umfangreicher Umbauarbeiten in den nachfolgenden Jahren mußte die Sammlung dann allerdings im Magazin eingelagert werden.

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Die Idee zu dieser Sonderausstellung liegt bereits über 20 Jahre zurück. Ende der 70er Jahre hatte der Autor die Geologie-Abteilung des Museum zur Neueröffnung mit eingerichtet. Bereits damals wurde der museale Wert dieser Sammlung erkannt. Aufgrund des thematischen Bezugs der Dauerausstellung zur unmittelbaren Umgebung von Osterode konnten nur einige Stücke der Sammlung dort aufgenommen werden. Das Groß des Fundes harrte weiterhin im Magazin seiner Präsentation. Erst Ende 2001 ergab sich für die Stadt Osterode am Harz und den Autor die Gelegenheit, gefördert mit Mitteln des Landschaftsverbandes Südniedersachsen eine Sonderausstellung zum Thema Armin-Werner-Sammlung zu realisieren. Die Exposition ist als Wanderausstellung konzipiert und kann später an weiteren Museen und Geo-Institutionen gezeigt werden. Für die Armin-Werner-Sammlung und die Ausstellung ist eine eigene Homepage (www.aws.musign.de) im Internet verfügbar. Über die Internetseite www.planeterde.de war die Ausstellung zudem in das Jahresevent eingebunden.

„Skurriles und Systematisches aus dem Fels geschlagen" wird die Sammlung im Untertitel benannt. Diese Wortwahl zeigt treffend auf die Sammlungsinhalte dieses Mineralienkabinetts hin:

Die Sammlung setzt sich zusammen aus mitunter skurril auskristallisierten Mineralien-Großstufen und einer umfangreichen sog. Handstücksammlung (mit dem Geologenhammer quaderförmig und "in den Handteller passend" zugehauene Mineral- und Gesteinsproben). Die Schubkastenschränke sind bestückt mit Handstück-Proben aus dem Harz sowie einem Querschnitt durch das gesamte Reich der Gesteine und Mineralien. Ergänzt wird die „Naturaliensammlung" durch etliche aus Stein gefertigte kunstgewerbliche Gegenstände.

Die Ausstellung beinhaltete neben der in Vitrinen präsentierten Schausammlung der farb- und formschönen Mineralstufen - gerade die Größe und Ästhetik vieler Einzelmineralstufen gab der Ausstellung einen besonderen Anreiz - die Inszenierung des Naturalienzimmers. Die Atmosphäre der Geosphäre im früheren Mineralienkabinett des Armin Werner wurde nachempfunden mit den Originalobjekten. Hierzu zählen u.a. zwei seiner voll bestückten Gesteinsschränke sowie sein Vitrinenschrank mit den „kunstgewerblichen Gegenständen aus Naturstein" (Originaleintrag im Inventarverzeichnis). Dazu gesellen sich Einzelstücke wie ein Ammonit als Wandbild, Erinnerungen an die Salinenzeit oder aus der Artefaktensammlung eine große Granitkugel, 1925 bei Luckenwalde gefunden und als möglicher frühgeschichtlicher Mahlstein interpretiert. Bizarre und zugleich markante Objekte sind die säulenartig aus einem Bodengestell aufragenden steinernen Bohrkerne. Auch die Ziersäule ist ein Bohrkern: Anhydrit, marmoriert, 1928, Pyrmont, aus 1220 m Teufe – so der Eintrag im Fundverzeichnis.

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Systematisches in den zahlreichen Schubladen: Die zigtausende von Gesteins-Handstücken, Fossilien, Erzen und Mineralien, im Vergleich mit dem Großstufen zunächst eher unauffällig, bilden einen systematischen Querschnitt durch die Welt der Gesteine, der Geologie, der Welt unter unseren Füßen. Neben der reinen Objektschau der Mineralgroßstufen konnte so auch der naturwissenschaftsgeschichtliche Hintergrund derartiger Sammlungen (sog. Mineralienkabinette) erläutert werden.

Zunächst stand beim Erstellen der Ausstellung die Geo-Welt der Objekt im Vordergrund. Doch je weiter die Recherchen um die Person Armin Werner gingen um so interessanter wurde die Beschäftigung mit dem Sammler Armin Werner. An dieser Stelle ein Dank an Herrn Eder, Herrn Dr. Buschau, Herrn Prof. Dr. Kessel und den Familien Werner und Kreß, die auch die Fotos von Armin Werner zur Verfügung stellten, für ihre Unterstützung.

Sein Lebensweg wurde nachvollzogen, alte Fotos tauchten auf, Zeitzeugen berichteten: Armin Werner, ein Leben für und mit der Geologie und den Objekten, die er aus dem Fels schlagen konnte.

Armin Werner, 1877 gebürtig aus Uslar, war bereits durch das Elternhaus - sein Vater war Landvermesser - , durch Ausbildung und Beruf den Geowissenschaften zugewandt. Er war im Bergbaubereich langjährig bei der Bohrverwaltung der Saline Schönebeck/Elbe tätig und befaßte sich hier u.a. mit den Bohr- und Abteufvorhaben. Hier lebte und arbeitete Armin Werner von Beginn des Jahrhunderts bis 1931. Als Regierungsbaumeister bewohnte er ein Diensthaus auf dem Grundstück der Salinenverwaltung.

Eintragungen in seinen zunächst handgeschriebenen Inventarblättern verweisen dort auf einen Beginn der Sammlertätigkeit im Jahr 1907. Zunächst überwiegen in der stetig anwachsenden Sammlung Fundstücke aus der Zechstein-Formation des Permzeitalters. Hier ist eine direkte Verbindung zum damaligen Salzbergwerk bei Schönebeck zu sehen. Neben verschiedensten Salzkristallen sind auch Bohrkerne aus diesem Bereich und weiteren Salinenregionen vorhanden. Einige Kerne und Salzproben in der Sammlung stammen aus dem sog. „Moltke-Schacht" der Saline. Findlings-Handstücke aus der Umgebung von Schönebeck und Magdeburg zeigen aber schon damals ein allgemeines Interesse am Aufbau einer Geosammlung. Zunehmend spezialisiert sich Werner auf das Sammeln von Gesteinsproben, er wird zum Petrographen. Seine Anerkennung in der Fachwelt erhielt er u.a. als Mitbegründer und langjähriges wissenschaftliches Beiratsmitglied der Zeitschrift „Der Aufschluß".

1930 erbaute er in Osterode an der Bleichestelle sein großes, herrschaftliches Wohnhaus, in das er extra ein Naturalienzimmer errichten ließ. Hier konnte seine permanent anwachsende Gesteins– und Mineraliensammlung entsprechend aufbewahrt werden. 1931 zog er - bereits außer Diensten - ein und widmete sich fortan seinen Mineralienstudien. Armin Werner verstarb hier am 27. September 1955 ledig und kinderlos.

 

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Wegbegleiter und Tauschpartner seiner Sammlerleidenschaft waren vor allem seine Brüder Heinrich (*1872) und Wilhelm (*1867), die sich beruflich ebenfalls dem Bergbau verschrieben hatten. Sowohl Heinrich als auch Wilhelm Werner waren zunächst Referendar und danach Bergassesor am Oberbergamt Clausthal.

Ab 1902 in St.Andreasberg tätig, war Heinrich Werner als Bergrat 1910 der letzte Leiter der Grube Samson. Er gilt als der Entdecker des Minerals Samsonit. Seine Andreasberger Sammlung bildet heute einen Kernpunkt des Mineralogischen Museums Münster.

Wilhelm Werner war zwischenzeitlich Hütteninspektor in Lautenthal. Nach Heirat mit der Hoelemann-Tochter Franziska übernahm er 1904 die Bleiwerke Hoelemann & Wolff in Osterode. Diese Firma, bereits 1812 von Schachtrupp gegründet, wird heute in der 3. Generation von der Familie Werner geführt.

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Abb.2: Gruppenbild mit Schwester:
Die drei Werner-Brüder Wilhelm, Heinrich und Armin.

 

Durch seine Brüder hatte Armin Werner Zugang in die Tiefe der Harzberge. Schon ab Beginn der Sammlertätigkeit bis weit in die 1940er Jahre finden Erze, Kristalle und Mineralgroßstufen aus dem Andreasberger Revier und den Oberharzer Erzgängen Einzug in sein Naturalienzimmer. Andreasberger Minerale waren somit schon in früheren Jahrhunderten begehrte Objekte der Mineralienkabinette. Sie finden weltweit Einzug in alle großen Geosammlungen. Heinrich Werner war neben dem Mineralogen Reinhard Brauns der große Sammler und bester Kenner des Reviers: welch Heimvorteil für seinen Bruder Armin! Die Gangminerale und -erze bilden neben den Salinen-Objekten seiner Schönebecker Zeit den zweiten Kernpunkt seiner Sammlung. Auch Funde aus anderen Grubenfeldern gelangen über die Brüder zu ihm.

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Nun kennen und erkennen wir den doppelten Reichtum dieser Sammlung! Die Kreise schließen sich: Der Harz, die Gebrüder, die Geologie, die Gesteine, im Harz oder weltweit gesammelt, aus den Geotopen des Planeten Erde. Der Harz allgemein und vor allem das Gebiet um St.Andreasberg gehört zu den klassischen Minerallagerstätten der Erde. Das von Armin Werner Gesammelte ist heute nicht ein bloser Nachlass eines Mineraliensammlers. Diese Sammlung ist eingebunden in die Montanhistorie des Harzes, die Geschichte, Lagerstättenkunde und Mineralogie der Gruben Samson und der Salzgrube unter dem Moltke-Schacht in Schönebeck. Die vielen steinernen kunstgewerblichen Produkten verweisen zudem auf Manufakturen Anfang des 20. Jahrhunderts in Osterode (in der Inventarliste wird oftmals die "Hofkunstanstalt Köchendörfer" angegeben) und repräsentieren einen Ausschnitt der Wirtschaftsgeschichte der Stadt.

 

Abb. 3:
Schaumkalkplatte mit "Eisen und Schlägel" auf Muschelkalksockel
Fossilien: Chemnitzia-Schnecken
Fundort: Kalkwerk Rüdersdorf bei Berlin, 1953; Höhe ca. 30 cm.
(Symbol-Objekt der Ausstellung)

 

Hier einige Beispiele für die Vielfältigkeit und Vollständigkeit der Sammlung:

Alleine die Gesteinssammlung beinhaltet hunderte von Kalkgesteinen oder auch Graniten. Der Kasten 38 beispielsweise beinhaltet Sintergesteine: Aragonite aus den Gipsbrüchen bei Osterode, aus Mexico und Siebenbürgen. Onyxe aus Algerien, Argentinien und Brasilien. Travertine und Kalksinter aus Württemberg. Kalkspat vom Winterberg bei Bad Grund.

Im Schubkasten 45 liegen ausschließlich Granitsorten unterschiedlicher Mineralzusammensetzung und mit verschiedenen Handesbezeichnungen: Nordische Granite wie Smaland-Granite aus Schweden oder Aland und Wäxiö-Granite als Findlingsfunde. Hornblende-, Muskovit, Zweiglimmer-Granite als Findlinge im norddeutschen Raum.

Für das Sammlungsthema Erze, Kristalle und Mineralien finden wir in einem „Erze"-Schubkasten u.a.: Arsen, Antimon-Silber vom Samson-Schacht, St.Andreasberg. Bleiglanz, Zinkblende, Fahlerz, Arsenkies aus Freiberg, Sachsen. Kobaltkies und Rubinglimmer aus dem Siegerland. In einem der Schubkästen mit Mineralien liegen u.a.: Achate, Amethyste, Calzedon und Rosenquarz aus Oberstein. Lava aus der Eifel. Jaspis und Opal aus dem Siebengebirge. Achate, Milchopal und verkieseltes Holz aus Sachsen.

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Abb. 4 links: Mineralstufe mit Flußspatkristallen, Cumberland (G.B.), 1953; Basisbreite ca. 30 cm. rechts: Quarzstufe ("Bergkristall"), Harz 1919; Breite 3 cm (!).
Die Fossilien: Armin Werner verzichtet hier auf ein neues, vielfältiges Sammlungsgebiet. Er konzentriert sich in seiner Systematik auf sogenannte Leitfossilien. Dies sind für bestimmte Schichthorizonte oder zeitliche Einheiten charakteristische Fossilien. Zwei Beispiele für den Sammlungsbereich „Leitfossilien":

Der Kasten 13 beinhaltet überwiegend Fossilien aus dem Erdmittelalter : Muscheln, Seeigel und Belemniten aus der Kreide-Zeit. Ammoniten und Terebratel-Muscheln aus der Jura-Zeit. Muscheln aus der Trias.

Im Schubkasten 11 wird die „Kohlezeit" = das Karbon präsentiert: Farne, Siegelbäume und Schachtelhalme der Karbon-Urwälder. Muscheln und Brachiopoden aus dem Harz. Verirrt haben sich hier hinein eiszeitliche Bärenzähne aus den Rübeländer Höhlen.

Zu einer systematischen Sammlung gehört auch eine Inventarisierung. Die Erfassung der Bestände ist heute noch die Zielmarke vieler Museumssammlungen. Bei Armin Werner gab es, wie es sich für einen gewissenhaften Mineraliensammler gehört, eine fortlaufende Inventarisierung der Neuzugänge und eine systematische Zuordnung Liste - Schrank. Somit können auch wir heute noch die magazinierten Objekte exakt zugeordnet in die Ausstellung einbringen.

 

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Abb. 5 a: Höhlenbär Ursus spelaeus, Eiszeit, oberer Backenzahn, Rübeland/Harz 1929 (122).
b: Ammonit, Jura („Ammonitentier") Metz 1913. c: Muschel Gryphaea , Jura Metz 1913 (281).
d: Muschel Inoceramus, Kreide Teutoburger Wald 1926 (282). (Maßstab: Breite der Objekte 4 - 6 cm)

 

 

 

 

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Abb. 6 (links): Ausschnitt aus dem "Verzeichnis der Fundstücke" mit den wichtigen Angaben zu Fundstücken: Bezeichnung, Fundort, (soweit möglich) Fundtiefe, Zusammensetzung, Zeitstellung; Fundjahr, Finder, Sammlungsplatz, Inventar-Nummer.
Abb. 7 (rechts): Beispiel für die Vervollständigung der Sammlung: Gediegenes Gold aus Siebenbürgen, 1924.

Neben der Inventarliste bediente sich Werner auch der für diese Sammlungen üblichen und bis heute gebräuchlichen Fundortzettel. Neben den Angaben zur Objektbezeichnung und dem Fundort und -jahr gibt er zudem oftmals noch die Begleitumstände der Einvernahme des Objekts in die Sammlung an, wie beispielsweise: Geschenk von Wilhelm, oder Geschenk von Kochendörfer, Osterode.

Die Armin-Werner-Sammlung gibt ausdrucksstark einen geschlossenen Überblick über die Gesteine und Minerale und vermittelt einen Einblick in die Vielfalt der unbelebten Natur und die Erdgeschichte: ein anfaßbares originales Inventar im außerschulischen Bildungsprozeß. Der Autor könnte sich gut vorstellen, diese Sammlung als Mosaikstein des neuen Geoparks Harz anzusehen, da neben den Geotopen vor Ort auch aussagekräftige Geosammlungen zu einem Geopark gehören. Wenn es gelingt, entsprechende Ausstellungs- und Zugangsmöglichkeiten zu schaffen, schließen sich auch hier die Kreise: Die Sammelleidenschaft des Armin Werner findet 100 Jahre nach ihrem Beginn hier in Osterode einen zukunftsweisenden Platz im Dialog der Geowissenschaften mit dem Menschen.

© Nielbock 2002